Von Quellkulten und heiligen Wassern

aus “Der Steigerwald” 1991-3, von Albert Schübel

Wo Menschen auf Erden leben und wirken, da sind sie in irgendeiner Form dessen gläubig, daß eine höhere Gewalt bestimmenden Einfluß auf ihr Leben hat. So gestaltete sich je nach Art, Rasse, Naturnähe und Zivilisation beim Menschen das Vorstellungsbild der Gottheit und demnach auch die kultischen Dienste, die sie dem Göttlichen erwiesen. Die Quelle, die aus der Erde sprudelt, dem Land Leben gibt und das Wasser hinaussendet, das über die Flüsse, das Meer und die Wolken in ewigem Kreislauf wieder zur Erde zurückkehrt, war einst Gegenstand besonderer Verehrung, und reicht im Schmücken der Osterbrunnen bis in unsere Zeit. Es gilt der Glaube, daß das Quellwasser Heilkraft besitzt, und es gilt der Brauch, daß nur schweigend geschöpft werden darf. Zahllos sind die Votiv- und Nymphensteine, die an Quellen und Brunnen gesetzt worden sind. In ganz Franken und weit darüber hinaus ist die Sage von den drei Wasser- und oder Quelljungfrauen bekannt. Zur Feststellung dieser Sagen haben Klarmann und Spiegel viel beigetragen.

In der Nähe der ehemaligen Probstei St. Gangolf, eingebettet zwischen den aufragenden Berghängen des Jägergrabens, gurgelt die Schwappach in waghalsigen Sprüngen über Felsen vom Taufbrunn aus in Richtung Main. An dieser Quelle soll der heilige Gangolf getauft haben und während einer solchen Weihehandlung von hinten meuchlings ermordet worden sein, was aber dem heilkräftigen Quellwasser keinen Abbruch tat. Vom Quellwasser des Gnadenbrünnleins genesen ließ Fürstbischof Karl Friedrich von Schönborn die Wallfahrtskirche Maria Limbach erbauen. Ein Brünnlein in der Abteilung Schlegelwiese zwischen Kitzingen und Stadtschwarzach führte früher den Namen “Weihbrunnen”. Das Wasser soll sehr heilkräftig gewesen sein. Bei Nenzenheim ist eine solche Quelle, die unweit der Hüttenheimer Grenze “Bei den Rieden” entspringt und in den Hüttenbach läuft, der dann Grundbach und später Breitbach heißt. Auch hier soll ein frühfränkischer Heiliger getauft haben. Nördlich von Unterlaimbach, in der Nähe des Stockholzes und Kahlbachwaldes, entspringt der “Stockbrunnen”, der schon in alten Urkunden genannt wird. Dort war die Quelle mit Linden bepflanzt, denn Baum und Quelle gehören seit urdenklichen Zeiten zusammen, eine uralte Erkenntnis, deren Nichtbeachten wir heute mit dem Versiegen vieler Quellen bezahlen müssen. In Scheinfeld erzählte man, daß die kleinen Kinder aus dem Stockbrunnen kommen (in Nürnberg aus dem Schönen Brunnen). Am südlichen Fuß des Gloßberges unweit von Gräfenneuses quillt der Heubrunnen aus der Erde, der heilsames Wasser besonders zur Osterzeit haben soll. An der Straße von Abtswind nach Wiesentheid, ungefähr eine halbe Stunde Fußweg von Abtswind entfernt, liegt rechts ein kleiner See, der Eichsee. Bevor man ihn erreicht, aber ganz nahe daran, entspringt hart neben der Straße eine ziemlich starke Quelle, die gefaßt ist und in einer eisernen Röhre ausfließt. Ihr Wasser rinnt im Straßengraben hinaus zum Eichsee. Der Eichbrunnen galt in alter Zeit als heilig, denn ein Acker oberhalb des Brunnens heißt im Kataster “Am heiligen Brunnen”. Der Bach selbst, der vom Eichsee abfließt, heißt Hainbach. In dem Felddreieck, das neben dem Eichsee von der Wiesentheider Straße, dem Untersambacher Weg und dem Feuerbacher Weg eingeschlossen wird, fand man bei der Verbreiterung der Wiesentheider Straße Schädel und sonstige menschliche Knochen. Die Abtswinder Überlieferung, in Legende und Sage, spricht: Am Eichsee taufte der heilige Kilian. Am Eichbrunnen soll eine Kapelle mit Einsiedelei gestanden haben, auch die ersten Häuser von Abtswind. Eine der Abtswinder Glocken, leider ohne Jahreszahl, hat der dort gestandenen Kapelle gehört. Jedoch die Flurnamen Kirchenweg und Am heiligen Brunnen weisen bis ins 16. Jahrhundert zurück. So fertigte am 19. Juni 1533 Jörg von Vestenberg ein Register über die von ihm an den Grafen Wolfgang zu Castell verkauften Güter in Abtswind an. Darinnen heißt es u.a.: “Hans Beck gibt jährlich ein Sommerhuhn von einem See am heiligen Brunnen”. In anderen Zinsregistern aus den Jahren 1535 und 1539 steht: “Der Jung Clas Salzmann gibt ein Sommerhuhn von einem Weingarten bei dem heiligen Brunnen und Bastian Haßfurter gibt gleichfalls ein Sommerhuhn am abgenannten heiligen Brunnen”. Am Ried zwischen Herbolzheim und Krautostheim ist ein Brunnen, in den zwei Quellen fließen. Ein Liebespaar, das die Angehörigen nicht zusammenkommen lassen wollten, suchte dort den Tod. Seitdem heißt der Brunnen “Ehebrunnen” und der daraus fließende Bach die “Ehe”. Die alte Casteller Burg besitzt einen Brunnen, der vom Berg bis zum Grund gehen soll und Verbindung mit dem Gründleinsloch (das grundlose Loch) hat. Eine Ente, die man in den Brunnen hinabließ, soll am Gründleinsloch wieder zum Vorschein gekommen sein. Ein solches Gründleinsloch gibt es auch in Gaibach bei Volkach. Dort sollen drei Wasserjungfrauen, angeblich drei Müllerstöchter, gewesen sein, die mit ihrer Mühle versunken sind. Grundlos bezeichnet man auch das Springloch bei Oberschwarzach. Dieses Loch soll mit dem Brunnen auf dem Stollberg in Verbindung stehen. Aus dem Goldbrunnen bei Rüdenhausen sollen kleine Kinder kommen. Die Mönchsgrube bei Haßfurt ist ohne Boden. Mönche, die einst von ihrem Weg abkamen, sollen hier mit Roß und Wagen versunken sein. Einen Reiter und mehrere Fuhrwerke soll das Schwarze Loch zwischen Grafenrheinfeld und Schwebheim in sich gesogen haben. In der Nähe des einstigen Klosters Birkach auf der Heide entspringt der Herrenbrunnen in der Christheid. Auch dieses Wasser erachtet man als heilkräftig. Eine besonders interessante Quelle hängt mit dem Schwanberg zusammen. Man sagt, der Schwanberg sei voller Wasser. Ein riesiger Stein aber würde es zurückhalten, und wenn er einst zerspringt, überflutet die ganze Gegend. Einst befanden sich drei Seen auf den Schwanberg. Der eine See ist versumpft und umwachsen, der zweite ist noch da, etwa drei Kilometer vom Schloß entfernt, und der dritte im Walde. Diesen See krönt in der Mitte eine Insel. Es soll der “See der wilden Schwäne” sein und eine alte Opferstätte auf dem Atoll gestanden haben. Es gibt viele Sagen um Quellen und heilsamem Wasser in Franken; im Mittelpunkt aber stehen immer die drei Jungfrauen, die aus den Quellen kommen, an den Freuden und Leiden der Dörfer teilnehmen, aber um Mitternacht wieder verschwinden. Hält man sie zurück, so dass sie erst nach dem letzten Zwölf-Uhr Schlag in die Quelle zurückkommen, dann wallt ein Blutstrom herauf und die Mädchen sieht man niemals wieder. In diesen an den verschiedensten Orten auftretenden, aber im Wesen völlig gleichen Sagen sind zwei uralte Glaubensinhalte verwoben. Der aufsteigende Blutstrahl deutet auf die Menschenopfer hin, die man in ältesten Zeiten an Quellen dargebracht hatte; die drei Jungfrauen aber, die aus dem Wasser aufsteigen und dahin zurückkehren, erinnern an die Schicksalsfrauen, die Nornen, die altnordischer Mythologie zufolge am Weisheitsbrunnen unter dem Weltenbaum die Schicksalsfäden spannen. Der 1963 bekannte Rom-Schlager “Drei Münzen im Brunnen sind drei Wünsche ans Glück” enthält den zu allen Zeiten gepflegte Brauch, sich durch das Opfer von Münzen eine gesunde Wiederkehr zu sichern. Insbesondere bevor man in den Krieg ziehen mußte, opferte man an den heiligen Quellen. Und zu den heiligen Zeiten der Christ- und der Osternacht soll sich das Wasser dieser heiligen Quellen für Augenblicke in köstlichen Wein verwandeln. So hat sich vorchristliche Weihe und kultische Reinigung durch Wasser in Taufe und Weihwasser der Kirche bis heute erhalten und vorchristliche Quellheiligtümer sind durch christliche Heilige überformt worden